Ein Schritt nach vorn, einer zurück

Ich ertappte mich gerade dabei, zu schreiben, es werde sonst ein bisschen sehr kompliziert. Dabei ist schon diese Formulierung ein bisschen sehr kompliziert. Aber wofür ist man angehender Linguist? Genau, um sich selber die Eigenheiten der Sprache bewusst zu werden und sie dann seinem Blog zu erklären.

Ein bisschen sehr kompliziert also. So etwas ist doch typisch deutsch. Und ich spreche nicht von der Volksmentalität oder einem ähnlich subjektiven Quatsch, sondern von der Tatsache, dass das Deutsche von Partikeln überquillt. So ist das halt eben. Da kann man dann ja auch nicht wirklich etwas dagegen sagen.

Vor ein paar Wochen fand in Bern sogar eine Partikelkonferenz statt, an der drei Tage lang über Partikeln diskutiert wurde. Da habe ich erfahren, dass Abtönungs- und andere Partikeln ein essentieller Bestandteil vor allem der gesprochenen deutschen Sprache sind. Sehr gut merkt man das bei Übersetzungen ins Deutsche, bei denen verglichen mit deutscher Prosa nachweislich weniger Partikel pro Anzahl Wörter vorkommen oder bei Filmsynchronisationen, die häufig nicht die im Deutschen „atmosphärische Normalität“ verbreitenden Partikeln in der gleichen Dichte einfügen, wie sie in einem alltäglichen Gespräch gebräuchlich sind. So klingt „Ich habe es dir gesagt“ als Antwort auf eine erstauntes Eingeständnis tendenziell hölzerner als „Ich habe es dir doch gesagt“ – im Englischen gibt es kein Äquivalent.

Diese aberjadochhalteben-Wörter (es gibt noch viele weitere, manche bringen einen sanften Widerspruch zum Ausdruck, andere weisen auf eine gemeinsame Realität hin („Wir gehen ja in einem Monat in den Urlaub“ impliziert, dass das Gegenüber davon weiss), und so weiter) sind also im Deutschen viel verbreiteter als in anderen Sprachen, aber daraus, dass sie in manchen Sprachen weniger verbreitet sind, darf nicht geschlossen werden, dass sie vernachlässigbares Beigemüse sind. Im Gegenteil: Sie sind enorm wichtig, um einem Gespräch die Künstlichkeit zu nehmen. Wären sie nicht da, bliebe der Eindruck, jemand spreche hochgestochen oder unnatürlich.

Wenn ich also schreibe, wir sollten besser nicht zu zehnt einen Termin suchen, sondern zu zweit, und ihn dann erst allen kommunizieren, weil es sonst ein bisschen sehr kompliziert würde, drückt dieses widersprüchliche Vor und Zurück ein Abwägen aus, das meine Bereitschaft zur Diskussion zum Ausdruck bringt.

Editiert am 8.1.2017

Schreibe einen Kommentar