Würzwurzeln

Kurkuma, Ingwer und Kardamom haben ihren Weg in die mitteleuropäischen Küchen gefunden und damit auch in unsere Sprachen. Aber wieso heisst es auf Schwedisch gurkmeja und auf Englisch turmeric?

Was ich nicht wusste: Kurkuma, Kardamom und natürlich auch Ingwer gehören alle zu den Ingwergewächsen. Etymologisch ist es ein bisschen verworrener. Was den Wanderwörtern unterwegs zugestossen ist, lässt sich oft nicht im Detail rekonstruieren – aber einige Wegmarken und Sprachwandelphänomene sind belegt.

Kurkuma

Kurkuma-Wurzeln, aufgeschnitten

Mein Interesse für die Etymologie von Kurkuma wurde in Schweden geweckt. Dort las ich auf dem Gewürzgläschen: gurkmeja. Und fand das einigermassen schräg, obwohl ich Schwedisch nicht mehr per se lustig finde, seit ich es gelernt habe (Gamla Stan ringt mir zum Beispiel kein Lächeln mehr ab, gamla ist nun mal das neutrale schwedische Wort für ‚alt‘).

Die Entlehnungsgeschichte ist schnell erzählt: Kurkuma kommt aus dem Arabischen kurkum, wohin es aus dem indischen Subkontinent gelangte mitsamt ind. kurkuma (von altind./Sanskrit ‌kuṅkuma(m)). Zuweilen wurde es auch im Deutschen Gurkuma verschriftlicht, da ist dann gurkmeja auch nur einige Vokalumstellungen von curcumaij (schwed. Beleg aus dem 17. Jh.) entfernt.

Altindisch kuṅkuma(m) bezeichnete eigentlich den ‚Safran‘ – die Übertragung auf die gänzlich anders aussehende Pflanze kam wohl durch die intensive gelbe Farbe zustande, die beide aufweisen. Krokus kommt übrigens von griech. κρόκος krókos ‚Safran‘, welches ebenfalls auf altind. kuṅkuma(m) zurückgehen könnte; auch arab. kurkum bezeichnet den Safran.

Etwas weiter hergeholt scheint engl. turmeric – «Was haben die denn mit dem armen Wort gemacht!?», ist man versucht zu fragen. Doch kein grober Verhörer liegt zugrunde, sondern eine andere Quelle: mittelengl. noch turmerite oder termerite, geht es wohl auf terre-mérite zurück, zu lat. terra merita ‚verdienstvolle Erde‘.

Kardamom

Kardamom

Kardamompulver wird nicht aus Wurzeln gewonnen, sondern aus den Samenkapseln.

Die Abstammungsgeschichte ist erst einmal einfach: entlehnt von lat. cardamomum, von griech. kardámōmon. Woher das kommt, ist allerdings umstritten: ‌Amomum bezeichnete eine Gewürzpflanze – aber kard- ist weniger eindeutig. Könnte es sich um kard- ‚Herz‘ handeln? Eher nicht. Oder um ‌kárdam- ‚Gartenkresse‘ (deren Samen wie Senf benutzt wurden)? Vielleicht. Oder aber das Vorderglied ist zu Curry (tamilisch kari ‚Sosse, Tunke‘) zu stellen.

Ingwer

Ingwer-Knollen

Wieder vermittelt über Latein (gingiber, zingiber) und Altgriechisch (ζιγγίβερι zingíberi), stammt der Ingwer aus dem mittelind. (Pali) siṅgivera, welches auf altind. śṛṅga-veram zurückgeht. Dies ist zusammengesetzt aus ‌śṛṅga- "Horn" + vera- ‚Körper, Form‘, bedeutet wörtlich also ‚der Hornförmige‘. Ingwerwurzeln sehen schliesslich eindeutig wie Geweihe aus. Naja, mit etwas Fantasie zumindest.

Die altindische Bezeichnung hat allerdings noch einen weiteren Vorfahren: Sie kommt von dravidisch *cinkiwēr, wobei *wēr schlicht ‚Wurzel‘ bedeutete. In Malayalam (einer dravidischen Sprache) heisst inchi ebenfalls ‚Wurzel‘. Falls das die Quelle ist, handelt es sich also um die Wurzel schlechthin, die ‚Wurzel der Wurzeln‘. Die weitere Abstammungsgeschichte liegt im Dunkeln, vielleicht kommt das ursprüngliche Wort noch weiter aus dem Osten.

Die indische Deutung ‚hornförmig‘ ist auf jeden Fall sekundär, so wie wir aus der hamaka die Hängematte gemacht haben. Mustererkennung ist schliesslich ein Grundprogramm von uns Menschen: Sogar wenn’s kein Muster gibt, finden wir eins. Das nennt sich dann Volksetymologie und ist einer der Mechanismen, welche die regelhaften Abstammungslinien durchkreuzen und dadurch verworrener, aber auch interessanter machen.

Mit dem Anlaut sind romanische und germanische Sprachen unterschiedlich umgegangen: Im Englischen ginger und Französischen gingembre ist er als stimmhafter (d)sch-Laut [(d)ʒ⁠] erhalten, im italienischen zenzero ist es ein ds-Laut [dz]. Im Deutschen Ingwer ist er weggefallen, Schwedisch ‌ingefära hat wie beim gurkmeja noch eine bisschen Lautmaterial dazugegeben. Im Slavischen, z.B. russ. имби́рь imbir ist die Abschleifung noch weiter fortgeschritten. Ähnliche Formen, z.B. Imber, gibt es auch in deutschen Dialekten.

Sprache = Wurzeln + Würze

Sprachkontakt verleiht der Sprache Würze. Weitgereiste Wörter weisen „langweilig-normale“ Entwicklungen auf (z.B. Assimilation Ingwer zu Imber), die auf „schräg-verworrene“ treffen wie die Sossenzutat Kardamom (oder war’s doch das Gartenkresse-Gewürz?). Auf ihrer Reise treffen sie andere Wörter für Ähnliches und tun sich zusammen (*cinkiwēr ‚Wurzel-Wurzel‘) oder werden aufgrund von Ähnlichkeiten für andere Dinge benutzt – der Safran lässt grüssen.

So wie im Currypulver keine Körner und Wurzeln mehr zu sehen sind, werden Lautungen bis zur Unkenntlichkeit verarbeitet und dann noch ein bisschen weiter (aber bitte mit gurkmeja und ingefära). Sprache lässt unsere Hirne heiss laufen und Verbindungen herstellen, die mal auf der Hand liegen (beides sehr gelb!) und mal eher weithergeholt sind (ein Wurzelgeweih!).

Bedeutungsentwicklungen und noch akzentuierter Volksetymologien, die sich gleichzeitig an Lautung und Bedeutung abarbeiten, zeigen auf unterhaltsame Weise, wie wir die Welt deuten, umdeuten und mit Bedeutungen jonglieren. In diesem Sinne: Auf die Wurzeln und die Würze!

Quellen

neben den üblichen: Genaust, Helmut: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3.Auflage 1996.

Bilder von unsplash (Ingwer, Kardamom) und Flickr (Fresh turmeric von Joanne C.)

One Comment

  1. Mattia

    Wurzelwurzel 🙂
    Sehr interessant!

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