Unternehmenssteuerreform (steuerliche Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit)

Dieser Artikel ist importiert von sprache-politik.ch, einem unterdessen eingestellten Nebenprojekt, basierend auf der Idee:

Sprache konstruiert Realität. Der Diskurs in der Schweizer Politik ist manchmal erschreckend platt; statt über Inhalte zu diskutieren, wird mit sprachlichen Verpackungen (Schlagworten, Bildern) operiert, die wenig aussagen. Was heisst sicher? Was heisst stark? Direkte Demokratie verdient einen inhaltlichen Diskurs.

Absender: Bundesrat

Adressaten: Parlament zur Beratung, Wahlberechtigte im Rahmen des Referendums

Die Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel lautet: Wollen Sie das Bundesgesetz vom 17. Juni 2016 über steuerliche Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz (Unternehmenssteuerreformgesetz III) annehmen? – Denn so benannte der Bundesrat die Unternehmenssteuerreform III offiziell (vgl. parlament.ch).

Nehmen wir diesen Sermon einmal auseinander.

Deutsch Französisch
Bundesgesetz Loi fédérale
über sur
steuerliche Massnahmen l’amélioration
zur des
Stärkung conditions fiscales
der en vue de
Wettbewerbsfähigkeit renforcer la compétitivité
des du
Unternehmensstandorts Schweiz site entrepreneurial suisse

Unternehmenssteuerreform klingt dröge. Also wurde das dreigliedrige Kompositum auseinanderzupft und in eine viergliedrige Nominalphrase gegossen, verbunden durch Präpositionen und Genitive:

(N-N)-N → N-(Präp-N-(Gen-N-(Gen-N)))

Die Unternehmenssteuer findet sich wieder in:

  • steuerliche Massnahmen
  • Unternehmensstandort Schweiz

Unternehmensstandort Schweiz ist gegenüber Unternehmen(ssteuerreform) eine clevere Ausschmückung, denn damit wird der Fokus auf den Beitrag der Unternehmen für „die Schweiz“ gerichtet.

Das letzte Glied des Kompositums Unternehmenssteuerreform ist die Reform, technokratisch für „Veränderung“. Diese findet sich wieder in Massnahmen sowie Stärkung – wobei Stärkung klar positiv konnotiert ist. Massnahmen klingen wenig spassig, aber immerhin suggerieren sie Aktion – es wird etwas getan. So wird aus der Überarbeitung bürokratischer Regeln eine Veränderung hin zu grösserer Stärke.

Die Wettbewerbsfähigkeit schliesslich ist ein Schlagwort mit positiver Konnotation, welches durch das Auseinanderziehen zusätzlich untergebracht werden konnte.

Ebenfalls neu eingeführt wird die Schweiz, als Teil des Unternehmensstandorts Schweiz. Der Ausdruck ist schon fast eine stehende Wendung, die von Seiten der Verwaltung, von Firmen, Medien und wirtschaftsnahen Parteien verwendet wird. Das sprachliche Bild bringt Wirtschaftstätigkeit und Patriotismus zusammen. Durch seine Verwendung einerseits dessen Kraft angezapft und andererseits das sprachliche Bild gestärkt.

Das ganze Konstrukt wirkt bürokratisch („Verwaltungssprech“) und überladen, aber gleichwohl lebendiger als „Unternehmenssteuerreform III“. Es ist mit positiven Konnotationen aufgeladen: aus den neutralen Bausteinen Unternehmen, Steuer und Reform wurde einzig Steuer beibehalten, die Reform wurde zu Massnahmen zur Stärkung (positive Konnotation), Unternehmen zu Unternehmensstandort Schweiz (Verbindung mit Patriotismus, Anknüpfung an zuvor gezeichnetes Bild) und zusätzlich wurde die Wettbewerbsfähigkeit (positive Konnotation) ins Spiel gebracht.

Auf Französisch steht mit kleineren Abweichungen eine parallele Konstruktion, wobei die Massnahmen zu „Verbesserung der Bedingungen“ (amélioration des conditions) aufgefaltet sind, was gegenüber Massnahmen eine zusätzliche positive Konnotation hineinbringt.

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