kosten

Vieles kostet – Mühe oder Geld. Und das nicht nur im Deutschen, sondern in den meisten Sprachen Europas: Auf Spanisch mag einer fragen, «¿Cuánto cuesta?», auf Schwedisch antworten «Det kostar hundra kronor», auf Französisch ausrufen «Ça coûte cher!» oder auf Englisch abwägen «It doesn‘t cost the earth, does it?» – Auch die slawischen und keltischen Sprachen tun mit, doch leider bin ich keines ihrer Exponenten mächtig.

Wie so oft, wenn ein Wort sich in weiten Teilen Europas und der Welt, da Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch an vielen Orten gesprochen werden, niedergelassen hat, beginnt seine Geschichte im Latein1, bei constare, wörtlich ‚feststehen‘. Die Übertragung auf kosten ist auch für das Simplex stare belegt; Man kann sie sich erklären über Waagschalen, die ‚zu stehen kommen‘, womit die Ware bei einem Preis feststeht oder eben einen bestimmten Preis kostet.

Constare wurde zu costare abgeschliffen2 und blieb in den sich entwickelnden Tochtersprachen des Lateins bestehen, unter anderem im Altfranzösischen als co(u)ster. Von da gelangte es wohl durch Kaufleute im 13. Jahrhundert ins Deutsche. Es ersetzte das mittelhochdeutsche (ge)stân – also die deutsche Entsprechung von stare, welche dieselbe übertragene Bedeutung abgedeckt hatte.3

Das Substantiv zu kosten sind die Kosten. Es stützt sich auf die mittellateinische Ableitung costa oder costus ‚Aufwand‘ und ist etwa zur gleichen Zeit wie kosten im Mittelhochdeutschen belegt, damals noch im Singular kost.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Eine andere Geschichte hat kosten im Sinne von ‚eine Speise probieren‘. Es geht auf indogermanisch *g̑eus- ,kosten, ausprobieren‘ zurück, wovon auch lateinisch gustare ‚geniessen, kosten‘ (man vergleiche französisch goûter, wiederum mit Verlust des -s-) und englisch choose ‚wählen‘ abstammen. Die mittelhochdeutsche Entsprechung kiesen wurde zuerst durch küren, dann durch wählen ersetzt.

Zurück zu mhd. kost – Dieses hat zwei Nachfolger im heutigen Hochdeutsch: die Kosten und die Kost. Im Plural bezeichnet es Ausgaben, im Singular früher den Aufwand für Lebensmittel und nun die Verpflegung selbst. Dies wohl – und hier laufen die zwei Stränge wieder zusammen – unter dem Einfluss vom „anderen“ kosten (‚eine Speise kosten‘). Ebenfalls unter diesem Einfluss hat sich wohl die Bedeutung des zugehörigen Adjektivs köstlich entwickelt: Bezeichnete es zuerst etwas Teures oder Aufwendiges, benutzen wir es heute vor allem zur positiven Beschreibung von Essen, weil man meinte, dass es mit kosten im Sinne von ‚Essen probieren‘ zu tun habe.

Und damit sind wir beim heutigen Sprachgebrauch angelangt: Köstliches Essen kosten wir gerne, doch kostet es mitunter viel. Wir sagen zwar noch, das komme jemanden teuer zu stehen, aber sonst hat das Lehnwort kosten das angestammte stehen gänzlich verdrängt – wir erkennen es nicht einmal mehr als solches.

Anmerkungen:

  1. Eigentlich beginnt die Geschichte noch früher, denn auch stare kommt nicht aus dem Nichts – Die proto-indogermanische Rekonstruktion der Wurzel (ohne Suffixe) lautet *sth₂-. Davon stammt auch das deutsche stehen ab.
  2. Dies im Gegensatz zu konstant, welches später als Lehnwort aus dem klassischen Latein (und nicht über eine gesprochene Sprache) in die Sprachen Europas Eingang fand.
  3. Die heutige französische Form coûter ohne -s- erklärt sich übrigens aus dem regelmässigen Verlust von /s/ zwischen Vokal und Konsonant im Französischen, zuerst mit Ersatzdehnung des Vokals, in der heutigen Orthografie durch den „accent circonflexe“ bezeichnet. Die Diphthongierung in der spanischen Form cuesta (im Gegensatz etwa zum Infinitiv costar) ist eine regelmässige Erscheinung bei einer Reihe von Verben: Das im Präsens betonte -o- wurde zu -ue- diphthongiert.

Quellen:

  • Grimm, Jacob et al. (1854-1961): Deutsches Wörterbuch.
  • Hoad, T. F. (Hg.) (2012): The Concise Oxford Dictionary of English Etymology. Oxford: Oxford University Press.
  • Kluge, Friedrich (2011): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage (1. Auflage: 1883). Berlin: De Gruyter.
  • Kroonen, Guus (2013): Etymological Dictionary of Proto-Germanic. Edited by Alexander Lubotsky. Leiden: Brill.
  • Stowasser, J. M. et al. (2006): Lateinisch – deutsches Schulwörterbuch. Auf der Grundlage der Bearbeitung 1979. Neu bearbeitet und erweitert von Alexander Christ et al.; Gesamtredaktion: Fritz Lošek. Zug: HPT-Medien-AG.
  • Vaan, Michiel de (2008): Etymological dictionary of Latin and the other Italic languages. Leiden: Brill.
  • Walde, Alois (1938–56): Lateinisches etymologisches Wörterbuch. Heidelberg: Winter.
  • Wartburg, Walther von (1928–2003): Französisches etymologisches Wörterbuch. 25 Bände und Beihefte und Supplemente. Basel: Zbinden.

Der Artikel ist eine leicht abgeänderte Version eines etymologischen Essays für die Uni.

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