Gerade gelesen in Braunmüller 1993: „Kontrastive Pragmatik und interkulturelle Kommunikation“:
God morgen! kann man [auf Dänisch] im Gegensatz zum Deutschen oder auch Schwedischen nicht bis gegen 12 Uhr sagen; später als 9, höchstens 10 Uhr geäussert, impliziert diese Begrüssung fast schon den Vorwurf, der/die Angeredete sei wohl eben jetzt erst aufgestanden.
Ist das so? Ich weiss natürlich nicht, wie es in Deuschland ist, beziehungsweise wie in Nord- und wie in Süddeutschland; aber in der Schweiz ist es mit dem Guete Morge so: nach ca. halb elf geäussert, verleitet es den/die GesprächspartnerIn – nach meiner fundierten empirischen Beobachtung – meist zu einem Kommentar im Sinne von „wow, du bist schon wach?“
Ein solcher Kommentar kann natürlich als eine Variation von „bei dir vielleicht“ gedeutet werden – also eine Art Spieglung des Vorwurfs, den man nicht auf sich bezogen wissen will. Es könnte auch mit hinein spielen, dass ich als (Klischee Start) junger Langschläfer und fauler Student (Klischee Ende) von der arbeitenden Bevölkerung als (noch) nicht ganz angepasst wahrgenommen werde und ein von mir kommendes Guete Morge deshalb weniger als Vorwurf, sondern Selbstironie gedeutet wird.
Ich zweifle jedenfalls daran, dass man im deutschen Sprachraum bis 12 Uhr ohne jegliche Implikation Guten Morgen sagen kann.