Lieber Gruss

Diese E-Mails machen sich daran, alles zu verändern: die Geschwindigkeit und die Bedeutsamkeit der schriftlichen Kommunikation, Grossschreiberegeln und Grussformeln – ein neues Medium braucht eine neue Sprache. Da kann man nicht einfach Liebe Dings, blabla, Liebe Grüsse schreiben.

Nein, es muss etwas Neues her. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hi, Hallo, Hallihallo, Hallöle, Hey, Hej, Hei, Hoi, Tach schön, Tach auch, Tach, Boschuur, mfg, lg, glg, gvlg, gvglg, hdg, Greets, Grüessli, Machs gut, Tschö.

Und: Ein lieber Gruss.

Nicht: Einen lieben Gruss. Mit liebe Grüsse konnte diese Klippe der Grammatik erfolgreich umschifft werden; denn im Plural sieht der Akkusativ genau wie der Nominativ aus.

Wunschformeln stehen immer im Akkusativ: Guten Tag, nicht Guter Tag. Schönen Tag noch, nicht schöner Tag noch. Besten Dank, nicht bester Dank.

Ursprünglich hiess es nämlich Ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Haben Sie besten Dank. Empfangen Sie liebe Grüsse. – Und analog, würde ich sagen: Ich schicke Ihnen einen lieben Gruss.

Also bitte, bekräftigt mich: man sagt doch Lieben Gruss, nicht Lieber Gruss, auch wenn es zugegebenermassen total komisch klingt. Und trotzdem: Mein Sprachgefühl sagt mir, mit lieber Gruss stimmt etwas nicht.

8 Comments

  1. Also einer meiner Profs würde wohl sagen, dass die Grußformel Ich wünsche ihnen noch ein schöner Tag Instanz des „Rheinischen Akkusativ“ ist (e.g. hier, S. 14f), bei dem Akkusativ in solchen Konstruktionen wie Nominativ flektiert…

  2. Kim

    das PDF ist eine wahre Fundgrube 🙂 In der Tat habe ich beim letzten Abschnitt auch an Herrn Sick gedacht, der mitunter alle neuen Entwicklungen als „schlechtes Deutsch“ abstempelt…
    Den Rheinischen Akkusativ kannte ich nicht. Allerdings gibt es im Schweizerdeutschen auch keinen Unterschied zwischen Nominativ und Akkusativ, was die Form betrifft (ausser bei Personalpronomen). Kann also gut sein, dass „ein lieber Gruss“ darauf zurückzuführen ist.
    Meine These ist ja, dass „einen lieben Gruss“ so blöd klingt, dass eine *bewusste* Korrektur stattfindet (dieselben Leute würden nicht „Guter Tag“ schreiben, behaupte ich jetzt mal).

  3. Peter

    Vielen Dank für den aufschlussreichen Beitrag! Ob es nun richtig „Lieber Gruß“ oder „Lieben Gruß“ heißt, hatte mich schon länger interessiert.

    • Tim

      Mich genauso. Nach jahrelangem Gebrauch von „Lieber Gruss“ wurde ich darauf hingewiesen, dass es „Lieben Gruss“ heissen soll. Also nicht in einem Satz, sondern bei der Einzelverwendung im Sinn von „blabablabla. Lieben Gruss“, was ich nun seit rund einem Jahr so verwendet habe. Nun möchte ich aber das Thema endgültig klären. Danke schon mal für deinen Beitrag, Kim. Mir fehlt aber die jegliche Begründung, um das Thema endgültig verabschieden zu können. Danke und Liebe…. äh, ich muss weg 😉

      • Kim

        Freut mich, dass der Beitrag nach so vielen Jahren immer noch Leser findet!
        Strikt präskriptiv gesehen heisst es auf jeden Fall lieben Gruss, auch wenn „der Rest“ (ich wünsche) nicht mehr da ist. Interessant dünkt mich aber, dass sich hier grammatische Herleitung und Sprachgefühl in die Quere kommen. Auflösen kann ich’s nicht, daher ist der Beitrag als Hinweis auf diesen seltsamen Fleck im Sprachgewebe formuliert.

  4. „Schonen Tag noch“ ist Akkusativ, kurz von „ich Wunsche dir einen schönen Tag noch“, ich komme aus Indonesien, aber mein Lehrer hat gesagt so….

    Hehehee..
    LG
    Wiyono

  5. Maria

    Ich habe festgestellt, dass die Schweizer „Lieber Gruss“ schreiben und die Deutschen „Lieben Gruß“. Lieber Gruss klingt in meinen Ohren falsch, obwohl ich aus der Schweiz komme.

    • Ewan

      Ihre Erklärung stimmt absolut, zumindest habe ich das Gleiche festgestellt. Zum Beispiel sagt mein Deutschschweizer Deutschlehrer (ich komme aus der Welschschweiz) am Ende seiner E-mails immer „Lieber Gruss“. Ich habe aber in Deutschland schon mehrmals „Lieben Gruß“ gesehen.

      Schöne Feiertage,
      Ewan

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