Seit der Primarschule wissen wir: Bei Aussagesätzen geht man mit der Stimme am Satzende hinunter, bei Fragen hinauf. Das heisst, seit da wüssten wir es aktiv, hätten wir darüber nachgedacht. Aber natürlich machen wir auch ohne es zu Analysieren – wie so oft bei der Sprache, aber dafür sind ja die Linguisten da – regen Gebrauch von der Möglichkeit, in den Tonhöhenverlauf einer Aussage weitere Informationen zu packen: Aussagesatz/Fragesatz (syntaktische Funktion), Ironie, Wut, Resignation, Aufmerksamkeit und weitere persönliche Gefühle gegenüber der Sache, über die man spricht.
Beispiel gefällig? Trifft sich gut, denn mein neues Hobby ist, mich lächerlich zu machen für populärwissenschaftliche Erkenntnisse. Klickste links um der komischen Darbietung der schweizerischen Bejahungsvatianten zu lauschen.
Ausruf, Frage, Pause, lange Pause: Unser Arsenal an Satzzeichen reicht längst nicht aus, um alle diese lebendigen Information zu transkribieren. Die Kunst beim Vorlesen ist denn auch, den geschriebenen Text richtig zu Interpretieren, betonungsmässig.
Zur Veranschaulichung habe ich den Tonschnipsel in praat, das Programm mit den vielen Knöpfen, reingeworfen und die nebenstehende Grafik erzeugt. Die y-Achse beschreibt die Tonhöhe, die x-Achse ist die Zeit.
Meine Vorstellung beim Einsprechen: (1) Engagiert, voll da; (2) und (3) „dann halt“, „von mir aus“; (4) „Jaaa, und weiter?“; (5) „Jaaa, find ich jetzt nicht, aber erzähl mal weiter“ ; (6) „wirklich?“; (7) und (8) genervt, beschäftigt
Was ich damit zeigen will: Ja heisst nicht einfach ja. Vielleicht etwas trivial, aber durchaus ein interessanter Gedanke 😉
Zur weiteren Untermauerung/Belustigung noch zwei Schnipsel, ebenfalls von Bejahungsvarianten, scho(n) und okay. Beim letzten schoooo? sollte man Überraschung heraushören, ebenfalls beim dritten okay. Bei den zwei ersten okays gibt es eine leichte Differenz beim Enthusiasmus, das vierte könnte Unwillen ausdrücken und das letzte ist diese zur Zeit so populäre ich-sag-zwar-okay-meine-es-aber-nicht-Version: „Was redest du da? Nicht echt jetzt, oder?“
Für letztere Form wird das i extrem lang gezogen, um quer durch die Frequenzen zu schleifen und bis in die höchsten Höhen vorzustossen. Damit verleiht man der Aussage natürlich auch mehr Gewicht, das man dann dafür „benutzt“, seinen Unmut anzubringen. So in der Richtung jedenfalls.
Und zum Abschluss noch einen Blick über den Tellerrand: Durch die pitch range, also der Distanz von den niedrigsten bis zu den höchsten Frequenzen im Oszillogramm, unterscheiden sich auch Dialekte. Das Walliserdeutsch zum Beispiel hat eine sehr breite pitch range, was dann sehr melodiös bis singend klingt.
Chinesisch macht sich die Fähigkeit des Menschen, Tonhöhen bzw. deren Veränderung wahrzunehmen, viel exzessiver zu Nutzen: Dort hat die Tonhöhe keine Funktion auf Satzebene, sondern auf Ebene der Silbe bzw. des Morphems. Das heisst, die gleiche Silbe bezeichnet etwas anderes in verschiedenen so genannten Tönen ausgesprochen. Also könnte im Chinesischen ein hohes ja durchaus Kuh heissen, während ein tiefes Tisch heisst. Indogermanische Sprachen haben meist nur zwei „Töne“: Eine Silbe ist entweder Betont (höher) oder nicht betont.
Und damit schliessen wir für heute.